Ein Auto für die Schule Nicolae Bălcescu, Teil I

Die Anfrage

Ich bekam eine Mail aus Rumänien mit der Anfrage, ob ich vielleicht Kontakt zu Autohäusern habe. Es würden ein bis zwei Autos für die Schule Nicolae Bălcescu in Întorsura Buzăului benötigt. Wenig Einschränkungen, außer, dass diese jünger als 10 Jahre sein müssen.
Gerade diese Einschränkung ist natürlich ein großes Handycap. Schon mehrfach haben wir Fahrzeuge für Hilfsprojekte aufgetrieben, oft sogar kostenlos, aber die waren deutlich älter.
Wer nicht fragt hat schon verloren denke ich mir, und verteile die Anfrage über mein Netzwerk, vielleicht hat ja jemand guten Kontakt zu einem Autohaus, wo man vielleicht ein Fahrzeug gegen Spendenquittung abgibt.

Erste Analyse - ohne Erfolg
Erste Analyse – ohne Erfolg

Hurra – Ein Angebot!

Es dauert gerade mal eineinhalb Tage, da bekomme ich am 19. Oktober eine Antwort von Diana, dass sie einen Twingo besitzt, den sie dafür zur Verfügung stellen würde. Baujahr 2009 und noch ein halbes Jahr TÜV, allerdings mit einem Handycap: Er lässt sich momentan nicht bewegen, weil das rechte Hinterrad blockiert.
Na ja, nichts, was mir wirklich Sorgen macht. Diana prüft das nochmal am Wochenende, aber auch nach Aufbocken des Autos und Abnehmen des Hinterrads ist die Ursache nicht feststellbar.
Vermutlich hat sich einer der Bremsbeläge vom Belagträger gelöst und zwickt zwischen Bremsbacke und Bremstrommel denke ich. Kriege ich hin.

Abholen des Twingo

Bremse fest
Bremse fest

Am 5. November ist es dann soweit. Ich habe mir einen Hänger ausgeliehen und fahre nach Schifferstadt, um den Twingo zu holen. Dem Stau geschuldet dauert es dann doch länger als geplant, aber Diana hat Geduld und wartet, bis ich zum Parkplatz finde. Ich rangiere mein Gespann rückwärts zum Parkplatz und lasse es so stehen, dass sowohl andere Autos noch veorbeikommen als auch wir ein wenig Platz zum Aufladen haben.
Für das blockierende Hinterrad habe ich ein Rollbrett mitgebracht, dass ich unter das angehobene Rad schiebe und mit einem Spanngurt befestige. So können wir den kleinen Franzosen aus der Parklücke rollen, um 90 Grad drfehen und in Richtung Hänger schieben. Diana sitzt im Auto und unterstütztz uns mit dem Motor, während Jochen und ich das Auto von außen dirigieren.

Das Rollbrett rutscht trotz Spanngurt unter dem Rad heraus, als wir über eine kleine Kante rollen. Es sind aber nur noch ein paar Zentimeter bis zur Auffahrtsrampe, weshalb ich es nicht mehr drunter schiebe. Jochen dreht die vordere Abschleppöse ins Auto, während ich das Stahlseil von der Winde abrolle. Wir haken das Seil ein und während Diana lenkt und ich das Auto hochkurble, schaut der Jochen das alles passt. Das blockierende Rad sorgt dafür, dass das Auto weit in die federn gezogen wird, es kommt ganz knapp über die Kante.

wenig Patina - ansonsten gut
wenig Patina – ansonsten gut

Dann ist es doch geschafft und ich beginne den Twingo auf dem Hänger zu verzurren, während die Beiden noch den Satz Sommerreifen heranholen und im Auto verstauen. Eine Einladung zum Kaffee lehne ich dankend ab, ich habe noch weit zu fahren und habe auch noch keine erfahrung mit meinem momentanen Zugfahrzeug und dem riesigen Hänger.

Kurz vor der Autobahn prüfe ich nochmals die Gurte, dann stürze ich mich ins Getümmel. Mehrere Unfälle und Baustellen sorgen dafür, dass der Tempomat erstmal nicht zum Einsatz kommt. Zwischendurch fahre ich mal runter von der Autobahn um zu tanken. Das habe ich mir schon vor vielen Jahren angewohnt, weil der Preisunterschied oft 30 Cent und mehr pro Liter berträgt, da lohnt sich auch mal ein kleiner Umweg. Die Tankstelle, die ich im Navi auserkoren habe, ist dann aber nicht existent. Wohl schon seit jahren nicht mehr, denn das Gebäude, was dort steht, sieht auch nicht mehr so neu aus. Ich wähle die nächste aus. Das Navi schickt mich in ein Wohngebiet, wo ich die Tanke auch finde, die hat aber am Wochenende zu. Der Weg ist eine Sackgasse, so dass ich bei einer Einfahrt zwischen vielen geparkten Autos auf engstem Raum wenden muss. Einige Jugendliche beobachten das neugierig, bleiben dabei aber passiv, so dass ich zweimal aussteigen muss, um hinten rechts nachzusehen, ob ich am geparkten Auto vorbeikomme. Zentimeterarbeit. Nur gut, dass sich der Tandemachshänger recht gut rangieren lässt.

Abschied vom Wegbegleiter
Abschied vom Wegbegleiter

Ich finde dann doch nich eine Tankstelle, wo ich neben dem Treibstoff auch noch etwas für meinen Magen erstehen kann. Dann geht es wieder zurück auf die Bahn. Bald fängt es an zu regnen und dann wird es dunkel. Trotz hohem Verkehrsaufkommen rollt die Blechlawine nicht schnell, aber stetig dahin, so dass auch mal der Tempomat zum Einsatz kommt. Auch gut bergaufwärts zieht der Daimler das Gespann problemlos, ohne dabei langsamer zu werden.

Später als geplant komme ich dann bei meiner Moppedwerkstatt an. Es regnet immer noch in Strömen. Wegen der damit einhergehenden schlechten Sicht brauche ich auch mehrere Versuche, bis ich das Gespann vor der engen Einfahrt in Position gebracht habe.

Jetzt gilt es, das Auto ohne Winde mit blockiertem Hinterrad wieder vom Anhänger runter zu bekommen. Auf der Plattform mache ich das mit dem Motor, der nasse Plattformboden kommt mir hier sehr entgegen. Die Rampen sind aber stark profiliert, da würde das nicht funktionieren. Ich behelfe mir mit einem Bohlen, den ich auf die rechte Rampe lege, und einem Brett, was zwischen Rad und Bohlen kommt. Das Brett habe ich auf der Unterseite mit Reifenmontagegel eingestrichen, damit es auf dem Bohlen gleiten kann. Auto kurz angehoben und Brett drunter, dann probiere ich es. Und es funktioniert erstaunlich gut. Erst als das Brett auf dem Betonboden meiner Halle ansteht, rutscht das Hinterrad vom Brett. Den Rest der Strecke muss es so gehen.

Nachdem ich die Rampen wieder verstaut habe, bringe ich den Hänger zurück. Dann gehts ab nach Hause, war ein langer Tag.

Bestandsaufnahme

Natürlich nehme ich mir zuerst mal das blockierte Hinterrad vor. Wagenheber ansetzen, Unterstellbock drunter und das Rad abschrauben. Durch ein Loch der Radbefestigung in der Bremstrommel könnte man die Bremsbacken etwas entspannen, indem man den Segmenthebel für die Handbremse nach hinten drückt. Ich bekomme die Bremstrommel aber keinen Millimeter bewegt, auch ein paar beherzte Schläge mit dem Hammer helfen da nicht.

Also nehme ich estmal die Radnabenabdeckung ab und löse die Achsmutter. Auch jetzt helfen Prellschläge mit dem Hammer nicht, die Trommel zu lösen. Dann habe ich die Idee, mir einen Abzieher zu bauen. Ein Stück Flacheisen findet sich in der Werkstatt. Auf das richtige Maß ablängen, drei Bohrungen rein (zwei für die Radschrauben, eine für die Achse), die mittlere bekommt ein Gewinde, die beiden anderen werden gut angesenkt.
Die beiden Radschrauben greifen gerade so, jeweils mit einer Umdrehung, weshalb ich das Flacheisen leicht bogenförmig biege. in der Mitte sitzt es auf dem Zentrierring der Bremstrommel auf. Jetzt habe ich gut 2 Umdrehungen pro Schraube, das sollte reichen. Mit der kleinen Ratsche drehe ich nun die mittlere Schraube langsam hinein, es schnalzt mal kurz und dann ist die Trommel beweglich. Ich muss die Schraube dennoch ganz reindrehen, bis ich die Bremstrommel abnehmen kann. Dabei fällt mir dann auch schon einer der beiden Bremsbeläge entgegen. Meine Vermutung war richtig.
Glücklicherweise hatte der Belag aber keinen Schaden am Bremszylinder oder anderswo angerichtet, die Trommeln sind innen auch nur minimal eingelaufen, so dass sich die Reperatur auf das Erneuern der Bremsbacken beschränkt.

Hier kann ich erstmal nichts weiter tun, also fahre ich zurück nach Hause und recherchiere nach dem Bremszubehör. Dabei finde ich einige Einträge in diversen Foren, die darauf hinweisen, dass es wohl ein häufiges Problem bei diesem Fahrzeug ist. Vorsichtshalber bestelle ich dann nicht die originalen Teile, sondern welche von einem Zulieferer, der auch Rennsportbremsen fertigt. Muss nichts bedeuten, aber ich kann mir wenigstens einreden, dass die hoffentlich den selben Kleber für die Rennsport- und die Alltagsvarianten verwenden 😉

Reparatur

Die Teile sind gekommen – Zeit, das Auto wieder fit zu machen. Am meisten Probleme habe ich damit, die beiden Federn, die die beiden Backen auf die Trägerplatte drücken, einzubauen. Mit einer Hand von hinten den Stift durch die Trägerplatte halten, mit der Anderen mittels Zange die Sicherungsscheibe gegen die Federkraft über den Stift drücken und um 90 Grad drehen, um ihn zu verriegeln. Ich bekomme das Ding einfach nicht auf den Stift gesteckt. Als ich es dann mal ohne Feder versuche, stelle ich fest, dass die Nut in der Sicherungsscheibe minimal zu klein ist, sie geht auch so nicht über den Stift. Mit einer Schlüsselfeile nehme ich minimal was weg und schon flutscht es. Jetzt geht es auch mit der Feder. Alternativ hätte ich wohl auch die alten wieder einbauen können, aber wenn ich sie schon in neu da habe …
Trommelbremsen am Auto habe ich lange schon nicht mehr gemacht, erinnere mich aber noch rechtzeitig daran, dass der automatische Nachsteller voreingestellt werden muss. Mit dem Messchieber messe ich den Innendurchmesser der Bremstrommel und drehe den Nachsteller so weit raus, dass die Bremsbeläge noch 0,5mm Spiel haben. Dann setze ich die Bremstrommel drauf und befestige sie mit einer neuen Achsmutter, die ich gleich mitbestellt habe.

Mit der linken Hinterradbremse verfahre ich ebenso. Hier sind die Beläge noch einwandfrei, dafür sehe ich etwas ausgetretenes Lagerfett an der Achse. Ich reinige alles, wechsle die Beläge und stelle auch hier das Spiel zur Bremstrommel auf 0,5mm ein. Montieren tue ich sie erstmal nicht. Wenn ich schon mal offen habe, dann bekommt der Twingo auch gleich ein neues Lager.

Dieses wird 2 Tage später geliefert und am darauffolgenden Wochenende ausgewechselt. Obwohl ich passende Zangen habe, gestaltet sich das Herausnehmen des großen Sicherungsringes, der das Lager an seiner Positiion hält, ziemlich kniffelig. Ausdrücken und Eindrücken hingegen ist – dank der passenden Ausdrückscheiben – kein Problem.
Nun kann ich auch diese Seite fertig machen. Eine Bremsprüfung im Hof zeigt, dass die Bremse gleichmäßig zieht und ordentlich packt. Mission erfüllt.

Weil ich noch ein wenig Zeit habe, stecke ich das Diagnosegerät an den OBDII-Port. Keine Fehler gespeichert – das klingt gut. Das Öl ist auf Minimum, ich habe zufällig welches da, also wechsle ich das auch noch und setze das Wartungsintervall zurück. Zündkerzen, Luftfilter, Keilriemen etc. sieht alles noch recht neu aus.

Dann lade ich die Sommerreifen aus und mache das Auto innen sauber. Diana hatte es als ‚Reiterauto‘ beschrieben und die Schule hat gemeint, das wäre kein Problem, sie würden es schon putzen. Aber wenn ich schon mal den Staubsauger greifbar habe … Normalerweise mache ich das mit dem Waschsauger, aber Außentemperaturen unter dem Gefrierpunkt halten mich dann doch davon ab, Feuchtigkeit ins Fahrzeug einzubringen. Auch so kann sich das Ergebnis sehen lassen, ich habe schon eine riesen Vorfreude, das Auto zu übergeben.

Die hinteren Sitze klappe ich hoch, somit kann ich die Sommerreifen besser verstauen. Mit ein wenig Glück kann ich beim Einladen der sonstigen Sachen für Rumänien eine Liegefläche schaffen, um die Nacht von Freitag auf Samstag im Auto zu verbringen und nicht nach einer Unterkunft suchen zu müssen.

Zulassung

Ein Telefonat mit der Zulassungsstelle, was für ein Ausfuhrkennzeichen alles benötigt wird, führt zu der Erkenntnis, dass der letzet TÜV-Bericht notwendig ist, obwohl man den gültigen TÜV ja auch im Fahrzeugschein sehen kann. Dieser ist irgendwie verschollen, Diana fährt kurzerhand zum TÜV, lässt ihn sich neu ausdrucken und schickt mir den zu.

In der Zwischenzeit kümmere ich mich um die Versicherung. Man findet die online im Netz um ca. 15% günstiger als vor Ort beim Vertreter. Es geht aber nicht ganz online, wie bei der normalen Zulassung. Vielmehr bekommt man das Antragsformular per Post zugeschickt. Dieses bestehjt aus mehreren Durchschlägen mit der Grünen Versicherungskarte hintendran. Fast zeitgleich mit dieser kommt auch der Brief von Diana, so dass ich gleich am Montag früher aus dem Böro gehe, um das Auto zuzulassen. Ich habe die 15-Tages-Variante gewählt, damit ich auch noch ein wenig Luft habe, wenn was schief läuft.
Allzubiel ist nicht los, aber es geht sehr schleppend. Fast alle haben Sonderanliegen: Überschriebung des Fahrzeugs nach einem Todesfall etc. Das braucht seine Zeit. Über eine Stunde brauche ich, bis ich an der Reihe bin. Der Mitarbeiter hinter dem Schalter sieht sich die Dokumente an, dann schiebt er mir die Versicherungsunterlagen zurück: Die müssen Sie noch ausfüllen. Aber richtig. Schreibfehler führen dazu, dass er das Dokument nicht annimmt, sagt er. Dann wendet er sich dem Fahrzeugbrief und -Schein und seinem Computer zu.

Das Feld für die Fahrgestellnummer ist viel zu klein. Ich bin gerade bei der Hälfte des langen Codes, als ich die Perforierung erreiche. Weil drunter auch wenig Platz ist, schreibe ich einfach weiter.
Die Adresse und den Gültigkeitszeitraum kriege ich auch noch hin. Dann werden aber noch Typschlüssel, Hubraum… verlangt. Ich bitte ihm, mir den Fahrzeugschein zu geben, um die Werte da rauszuholen. Dann suche ich auf der Rückseite, welche Ziffer welchen Wert beinhaltet (früher war das einfacher, da stand es direkt vorne dabei). Mittlerweile bin ich der vorletzte Besucher im Raum. Offenbar suche ich zu lange, er nimmt mir das Formular ab. Ich denke, er will mir helfen, aber er trennt es an der Perforation auseinander (damit natürlich auch die Fahrgestellnummer) legt mir die grüne Versicherungskarte von hinten dran vor und bittet mich die auszufüllen, während er die vorderen, halbfertig ausgefüllten Blätter abstempelt.

Daraufhin bekomme ich die Zahlkarte und das Blatt für den Schildermacher. Ich zahle die Gebühr ein und hole die Kennzeichen beim Schildermacher. Als ich zurückkomme, klebt er nur noch die Siegel auf die Kennzeichen und drückt mir den Kram in die Hand. Den TÜV-Bericht hat er übrigens nicht angeschaut.

Zurück auf der Straße

Weil es noch früher als gedacht ist, fahre ich gleich noch raus in meine Halle (die liegt ca. 20km von meinem Zuhause entfernt), schraube die Kennzeichen an den Twingo, lade ein paar Sachen vom anderen Auto um, bevor beide Fahrzeuge den Platz tauschen. Mit einem Umweg über die Tankstelle und über den Waschplatz (jetzt strahlt das weiss) führt die Jungfernfahrt des reparierten Twingos dann zu mir nach Hause. Alles prima geklappt, noch 5 Tage, dann gehts los!


Live Tracking der Weihnachtstour nach Rumänien 2017

Hier kannst Du live dabei sein, wenn ich das Auto zu seinem neuen Bestimmungsort bringe.

Die grünen Markierungen zeigen die Orte, wo ich übernachtet haben.